Beispiele aus der Praxis
Die folgende Auswahl an konkreten Beispielen demonstriert, welchen Beitrag die Oberflächen- und Werkstoffanalytik zur Problemlösung bei Fragestellungen aus der industriellen Praxis liefert.
Kontrolle der Koronabehandlung von Folien
Oberflächenbehandlungen zur Verbesserung der Haftungseigenschaften spielen in vielen Bereichen der Polymertechnologie eine wichtige Rolle. Beflammungen oder Koronabehandlungen dienen dazu die Oberflächenenergie von Spritzgußteilen oder Folien zu erhöhen und damit Eigenschaften wie Bedruckbarkeit oder statische Aufladung zu beeinflussen. Die Kontrolle der Qualität solcher Behandlungen mit Hilfe von einfachen Testverfahren wie Testtinten ist nicht immer zuverlässig.
Hier kann die Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS / ESCA) wichtige Informationen über den Oberflächenzustand des Polymers liefern. Neben Informationen über die Qualität der durchgeführten Behandlung erlaubt das Verfahren gleichzeitig auch evtl. Verunreinigungen auf der Oberfläche nachzuweisen.
Röntgen- Photoelektronen-Spektrum einer PET-Folie (re.) nach Koronabehandlung. Durch Bestimmung der Verhältnisse der charakteristischen Sauerstoff- und Kohlenstofflinien des PET an der Oberfläche kann die Qualität der Koronabehandlung sowie deren Alterung untersucht werden.
Eine PET-Folie zeigt nach Koronabehandlung schlechte Verarbeitungseigenschaften (statische Aufladung, schlechte Bedruckbarkeit). Es besteht der Verdacht, daß die Koronabehandlung u.U. auf die nicht bedruckte Außenseite durchgeschlagen sein könnte. Mit Hilfe der Röntgenphotoelektronenspektroskopie wird anhand der Intensität der O1s und der C 1s Signallinien der unbedruckten Seite das prozentuale Verhältnis von Sauerstoff und Kohlenstoff in Atom % bestimmt. Diese Werte werden mit denen einer unbehandelten Folie verglichen. Eine Koronabehandlung der untersuchten Folienseite konnte auf diese Weise ausgeschlossen werden.
Siebdruck: Mangelnde Farbhaftung
Im Siebdruckverfahren auf PVC-Folien aufgebrachte Farbe haftet bei Folien aus bestimmten Chargen unzureichend. Haftungsstörungen dieser Art können bekanntermaßen schon durch Spurenverunreinigungen der Polymeroberfläche verursacht werden.Um die genaue Ursache für die unterschiedliche Bedruckbarkeit zu finden, ist es deshalb notwendig, die chemische Zusammensetzung der äußersten Atom- oder Moleküllagen der Folienoberfläche zu analysieren. Das Statische SIMS-Verfahren ermöglicht es, Kontaminationen von Polymeroberflächen oder dorthin migrierte Additive hochempfindlich nachzuweisen.
Pos. TOF-SIMS Spektrum einer schlecht bedruckbaren PVC-Folie (=> Nachweis von Schmiermitteladditiven)
Beispiel: Bei der Analyse der Oberflächen Zusammensetzung einer schlecht bedruckbaren PVC-Folie werden auf der Folienoberfläche der Weichmacher Dioctylphthalat (® DOP),der PVC-Stabilisator Bariumstearat (® BS) und ein Schmiermitteladditiv mit der Bezeichnung Ethylen Bis-Stearamid (® EBS) nachgewiesen.
Vergleichsmessungen an gut bedruckbaren PVC-Folien zeigen, dass auf diesen Oberflächen deutlich geringere Konzentrationen des Schmiermitteladditivs EBS vorliegen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die mangelnde Bedruckbarkeit der Folien direkt durch die erhöhte Konzentration des Additivs an der Oberfläche verursacht wurde.
Haftungsstörungen bei metallischen Besichtigungen
Die Qualität von Lackierungen und Metallisierungen auf Kunststoffoberflächen hängt wesentlich von den Eigenschaften der zu beschichtenden Oberfläche ab.
Reste von Entformungsmitteln und Reinigungsflüssigkeiten…
Wanderung von Weichmachern an die Oberfläche oder…
Spurenverunreinigungen mit Schmiermitteln…
…können bereits in geringsten Spuren zu erheblichen Haftungsstörungen bis hin zu großflächiger Enthaftung führen. Unter Verwendung hochempfindlicher Oberflächenanalyse-Techniken (wie z.B. dem TOF-SIMS Verfahren) können solche Spurenverunreinigungen nachgewiesen und identifiziert werden. Fehlerquellen können auf diese Weise schnell eingegrenzt und beseitigt werden.
TOF-SIMS Spektrum aufgenommen in der Fehlstelle einer Verchromung auf einem Spritzgußteil
Beispiel: Möbelknöpfe und Schrankgriffe werden heute sehr häufig aus Kunststoff hergestellt und anschließend galvanisch mit einem dekorativen Metallüberzug versehen. Hierbei kommt es immer wieder zur Ablösung der Metallschicht aufgrund zu geringer Haftung auf der Kunststoffoberfläche. Für den Hersteller stellt sich nun die Frage, ob der Fehler in einer falschen Behandlung bei der Metallisierung liegt oder schon bei der Herstellung der Rohlinge verursacht wird. Eine TOF-SIMS Mikroanalyse innerhalb der Fehlstelle (Abb. oben rechts) weist Verunreinigungen mit Trennmitteln (EBS / PDMS) nach. Da diese auschließlich bei der Entformung eingesetzt werden, konnte der Fehler auf eine mangelhafte Reinigung vor der Metallisierung zurückgeführt werden. Durch geringfügige Änderungen im Produktionsablauf wurde der Fehler dauerhaft beseitigt.
Charakterisierung von Schmiermitteln: Perfluorpolyether
Perfluorpolyether (PFPE’s) sind bei Raumtemperatur flüssige Polymere mit guten Schmiereigenschaften. Sie haben hohe Viskositäten und Siedepunkte sowie niedrige Oberflächenenergien. Einsatzgebiete der PFPE’s finden sich in nahezu allen Industriebereichen, z.B. der Elektronikindustrie, der Luft- und Raumfahrt oder der Halbleiterindustrie. So werden z.B. Festplatten in Computern mit einer dünnen Schicht eines Perfluorpolyethers beschichtet, um bei einer Berührung des Lese-/Schreibkopfes mit der Festplattenoberfläche Reibungsverluste oder ein Verschweißen zu verhindern. Oder: Fette auf Basis von Perfluorpolyethern werden zur Schmierung von hochbelasteten Kugellagern in Laufbändern von Lackieranlagen und von Kugellagern in Öfen eingesetzt.
Die physikalischen Eigenschaften der einzelnen PFPE-Produkte (Handelsnamen: z.B. Krytox, Demnum, Fomblin) hängen von der Struktur des Polymergerüstes, dem Molekulargewicht und der Breite der Molekulargewichtsverteilung ab.
Diese Werte können auf einfache Weise mit dem TOF-SIMS Verfahren bestimmt werden (siehe Abb.). Zudem ermöglicht das Verfahren im Bereich der Fehleranalytik den Spurennachweis und die exakte Identifizierung von PFPE’s. Das TOF-SIMS spielt deshalb eine wichtige Rolle in der Suche nach der Quelle von PFPE’s in Lackierprozessen, die zu Fehlstellen (z.B. Kratern) in Lackschichten führen.
Figure 1: Positives TOF-SIMS Spektrum eines dünnen Krytox-Filmes auf Silbersubstrat. Gemessen wird ein mittleres Molekulargewicht von ca. 7000 u entsprechend n = 47 Wiederholeinheiten (Erläuterung der einzelnen Massensignale: siehe H. Feld et al., Analytical Chemistry, 65 (1993) 1947-1953).
Das TOF-SIMS Verfahren ermöglicht den hochempfindlichen Nachweis von Perfluorpolyethern (sub-ppm Bereich) auch in mikroskopisch kleinen Bereichen, die exakte Bestimmung der Massen ihrer Wiederholeinheiten (R) und Polymerendgruppen sowie der Breite und des mittleren Molekulargewichtes der Oligomerverteilung (Polymerdispersion).
Einschlüsse in Lackoberflächen
Beim Lackieren und Beschichten von Bauteilen können bereits kleinste Oberflächenfehler wie Krater, Stippen oder Blasen den optischen Eindruck massiv stören. Während Lack-Krater i.a. durch Spurenkontaminationen mit Fetten, Ölen oder Trennmitteln verursacht werden, entstehen Stippen, Pickel oder andere punktuelle Erhebungen in der Lackoberfläche häufig durch einen Einschluss von Fremdteilchen wie Staubpartikel, Metallabrieb, Haare oder Fasern. Für eine zuverlässige Vermeidung solcher Fehler ist es zunächst notwendig, die Form und Zusammensetzung der eingeschlossenen Fremdteilchen möglichst genau zu charakterisieren. Zusammen mit einer geeigneten Probenpräparation können hier mikroanalytische Verfahren wie REM/EDX, FTIR-Mikroskopie oder TOF-SIMS wertvolle Informationen liefern.
Beispiel: Auf pulverbeschichteten Aluminiumprofilen werden vereinzelt pickelförmige Erhebungen in der Lackoberfläche beobachtet. REM-Abbildungen einer Querschnittsfläche durch eine typische Fehlstelle zeigen, dass ein Fremdpartikel in die Lackschicht eingeschlossen ist, das bis zur Lackoberfläche reicht, aber keinen Kontakt zum Grundmaterial hat. EDX-Elementanalysen weisen im Bereich des Einschlusses ausschließlich Aluminium nach, während die intakte Lackschicht nur die Bindemittel-typischen Elemente Kohlenstoff und Sauerstoff enthält.
Die Untersuchungen zeigen insgesamt, dass die Lackfehlstellen durch kleine Aluminiumspäne entstehen, die vermutlich erst während des Beschichtungsprozesses auf die Oberfläche gelangen und in die noch nicht ausgehärtete Lackschicht eingebunden werden.
Kontrolle des Beschichtungsaufbaus
Speziell für die jeweiligen Praxisanforderungen optimierte Oberflächenbeschichtungen sind für die Funktion, die Haltbarkeit und das dekorative Aussehen technischer Produkte von entscheidender Bedeutung. Das Spektrum reicht hierbei von der Feuerverzinkung über mehrschichtige Lacksysteme bis hin zu komplexen Dünnschichtsystemen, die als optische Vergütungsschichten auf Gläsern eingesetzt werden.
Die Funktion der Beschichtung hängt u.a. von der Schichtfolge, den Schichtdicken und der chemischen Zusammensetzung der Einzelschichten und Grenzflächen ab. Wesentliche Informationen zu den genannten Schichtparametern liefern Tiefenprofilanalysen z. B. mit dem SNMS- oder GDOS-Verfahren. Hierbei wird die Beschichtung durch Ionenbeschuss kontinuierlich abgetragen und die Elementzusammensetzung als Funktion der Schichttiefe aufgezeichnet.
Beispiel: Zierblenden aus Edelstahl werden aus dekorativen Gründen in zwei unterschiedlichen Verfahren verchromt. Im Rahmen der Qualitätssicherung soll überprüft werden, ob Schichtaufbau und -zusammensetzung der aktuellen Chargen den zuvor als Qualitätsstandard analysierten Referenzmustern entsprechen.
GDOS-Tiefenprofilanalysen zeigen (siehe Abb. oben):
1. Bei Muster 1 handelt es sich um eine einfache Verchromungsschicht.
Bei Muster 2 wurde zwischen Stahl und Chromschicht eine zusätzliche Nickel-Zwischenschicht abgeschieden. Die Gesamtschichtdicken liegen bei ca. 500 bzw. 300 nm.
2. Im gesamten Schichtaufbau werden keine störenden Fremdelementanreicherungen gefunden.
3. Bei dem Grundmaterial handelt es sich um einen Cr/Ni-Stahl mit ca. 20% Cr und 8 % Ni.
Insgesamt liegen die Schichtparameter innerhalb der Toleranzwerte. Aufgrund der Analysen ist mit einer einwandfreien Funktion der Beschichtungen im Praxiseinsatz zu rechnen.